Vorwort

29. Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler vom 05.- 25. März 2024

Verehrtes Publikum,

in Zeiten vielfältiger Krisen und rasanten Wandels ist das Theater in besonderer Weise herausgefordert. Will es seinen gesellschaftlichen Auftrag wahrnehmen, muss es sich immer wieder neu erfinden. Es gilt Inhalte und Formen zu finden, die zur Überwindung schlechter Wirklichkeiten beitragen und von anderen, besseren Welten künden. Vonnöten sind neue Erzählungen.
Wenn es um das Theater von morgen und die Zukunft eines freien, offenen, vielgestaltigen und demokratischen Gemeinwesens geht, sind junge Theaterschaffende gefragt, insbesondere Schauspieler*innen. Was sie erzählen und wie sie es tun, ist von Relevanz. In ihrem Spiel auf der Bühne nehmen konkrete Utopien Gestalt an.
Eingeladen sind bemerkenswerte Beispiele junger Schauspielkunst von Theatern in Altenburg/Gera, Aachen, Essen, Magdeburg und vom Team um die Regisseurin Marie Schwesinger.
Die Fachjury - bestehend aus Prof. Dr. Dagmar Borrmann, Florian Fischer, Antonia Leitgeb und Nicolas Matthews - hat nach Sichtung einer großen Anzahl an Inszenierungen fünf davon ausgewählt, in denen junge Schauspieler*innen eindrucksvoll zu erleben sind. Der Auswahljury danken wir sehr herzlich für ihre hoch engagierte ehrenamtliche Arbeit, die mit der 29. Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler ihren Abschluss findet. Turnusgemäß wird in diesem Jahr eine neue Jury ihre Tätigkeit aufnehmen.

Die Auftaktveranstaltung stellt die Frage, wie es derzeit um unsere politische Situation steht: In der Farce „Hitlers Ziege oder die Hämorrhoiden des Königs“ von Rosa von Praunheim machen sich Hitler und Friedrich der Große im Theater Altenburg/Gera Sorgen um die Zukunft Deutschlands. Der junge Schauspieler Jonas Dumke vom Theater Aachen geht auf seine persönliche Reise zu Heinrich von Kleist. Eine Hommage an Kleists Sprache, sein Leben, auch an seinen Tod. Magdeburger*innen wurden nach ihrem Essverhalten und ihren sexuellen Gewohnheiten befragt. Aus der Recherche ist im Theater der Stadt ein humorvolles Stück entstanden. Büchners Drama wird als „(Making) Woyzeck“ von einem jungen Ensemble des Schauspiels Essen für die Gegenwart erkundet. Marie Schwesinger und ihr Team untersuchen aktuelle Prozesse zu rechtem Terror und lassen das Publikum an ihrer künstlerischen Analyse teilhaben.
Wichtiger Teil eines jeden Gastspielabends ist die kurze inhaltliche Einführung zum Stück, genau wie die im Anschluss an die Aufführungen stattfindenden Nachgespräche, in denen sich das Publikum mit den Schauspieler*innen austauschen kann. Zu erwarten sind erhellende Einblicke in die Produktionen und die Motivationen der Ensembles.
Auch in diesem Jahr wird mit Spannung erwartet, wer den Preis gewinnt. Mit Ihrem Votum, das Sie, liebes Publikum, im Foyer des Parktheaters abgeben können, entscheiden Sie über den Publikumspreis.
Das Schulprojekt Theaterkritik hat sich als wertvoller Teil des Festivals etabliert. Die Kooperation mit Bensheimer Schulen ermöglicht Schüler*innen den theaterpädagogisch begleiteten Zugang zum Theater und eine intensive Auseinandersetzung mit Stücken. Sie lernen, Inszenierungen zu analysieren, darüber zu sprechen und Kritiken zu schreiben. Darüberhinaus vergeben sie den Preis der Schüler*innen-Jury und werden, wie in den vergangenen Jahren, mit ihrem Engagement und ihrer Energie die Nachgespräche bereichern.
Dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst danken wir für seine Unterstützung, dem Bergsträßer Anzeiger für die gute Kooperation.
Allen Beteiligten der Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler rufen wir in guter Theatertradition ein herzliches Toi-Toi-Toi zu!
Ihnen, verehrtes Publikum, wünschen wir anregende Theaterabende im schönen Bensheimer Parktheater und gute Gespräche über das, was den Theaternachwuchs bewegt.

Christine Klein
Bürgermeisterin Stadt Bensheim

Prof. Hans-Jürgen Drescher
Präsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste

Matthias Haupt
Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen

Johannes Erich Schulz
Vorstandsvorsitzender Sparkasse Bensheim

Programm

Auftaktveranstaltung, Dienstag 05. März 2024, um 18:30 Uhr

Die Auswahljury – Prof. Dr. Dagmar Borrmann, Florian Fischer, Antonia Leitgeb und Nicolas Matthews – stellt im Gespräch mit Beteiligten das Festivalprogramm vor.


Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs, Dienstag 05. März 2024, um 20:00 Uhr

Foto: ©Ronny Ristok

Farce von Rosa von Praunheim

Theater Altenburg Gera

Laut einem Spielgefährten soll Adolf Hitler als Kind von einer Ziege entmannt worden sein – eine Verstümmelung mit psychohistorischen Auswirkungen auf Hitler sowie die gesamte Weltgeschichte. Voltaire schrieb, der Kammerdiener von Friedrich dem Großen habe seinem Herrn „in mehr als einer Weise zur Aufmunterung“ gedient – was die Forschung jahrzehntelang unter den Tisch fallen ließ.
Diese und andere Gerüchte um die sexuelle Orientierung, Vorlieben und Erkrankungen der beiden Männer, die, jeder auf seine Weise, die deutsche Geschichte nachhaltig geprägt haben, verarbeitet von Praunheim in seiner zwischen Farce und Trash oszillierenden musikalischen Revue.
Wo Rechtspopulisten nicht mehr nur auf dem Vormarsch, sondern bereits Teil politischer Willensbildung sind, entzaubert die Produktion farbenfroh quasi nebenbei Sagengestalten der neuen Rechten als alte weiße Männer mit empfindlichen Egos und unvollständigen Genitalien.

Mit
Michaela Dazian, Antonia Marie Waßmund

Inszenierung
Damian Popp
Musikalische Leitung
Olav Kröger
Bühne & Kostüme
Hanne Konrad

Dramaturgie
Dr. Sophie Oldenstein

Regieassistenz & Inspizienz
Josephine Geissert

Dauer
90 Minuten, keine Pause

EIntritt frei

„Ach!“ Ein Kleist-Porträt, Donnerstag 07. März 2024, um 19:30 Uhr, Einführung ab 19:00 Uhr

Foto: ©Ben Zurbriggen

Soloabend von und mit Jonas Dumke

Eigentlich liest er nicht so gerne lange, schnörkelige Texte. Bis ihm Kleist in die Finger fällt, dessen Sprache ihn unbemerkt über Stunden in einen Zustand versetzt, in dem er die Welt um sich vergisst. Wie konnte das passieren? Basierend auf Briefen des Autors nimmt Schauspieler Jonas Dumke uns mit auf seine persönliche Reise zu Heinrich von Kleist, mit einer Hommage an seine Sprache, sein Leben – und auch seinen Tod.
Ein Solo-Abend, ursprünglich produziert an der Hochschule der Künste Bern, über einen Wortgewaltigen, dem die Wörter letztlich im Halse stecken blieben.
Hinweis für Epileptiker*innen: Bei dieser Veranstaltung werden Stroboskopeffekte eingesetzt, die bei bestimmten Bildfrequenzen unter Umständen epileptische Anfälle auslösen.

Von und mit
Jonas Dumke

Mentorat
Lukas Bangerter

Dramaturgische Beratung
Kerstin Grübmeyer

Dauer
60 Minuten, keine Pause

Sex & Kartoffeln, Dienstag 12. März 2024, um 19:30 Uhr, Einführung ab 19:00 Uhr

Foto: ©Andreas Lander/Dorothea Tuch

von Anna Kirstine Linke und Ensemble (UA)

Theater Magdeburg

Wir haben über 100 Leute gefragt: „Woran denkst du, wenn du an Sex denkst? Woran denkst du, wenn du an Kartoffeln denkst? Was aus deinem Sexualleben möchtest du gerne auf einer Bühne sehen?“ – Und jetzt haben wir den Salat.
Wie können wir die Geschichten von 100 Leuten in einem Theaterabend miteinander verbinden? Das Sex-und-Kartoffel-Team gibt nicht auf. Es schmeißt sich für euch in Schale. Wenn‘s hart auf hart kommt, teilt es sich auf. Es verschwistert sich mit sich selbst und mit der Kartoffel, die, entwurzelt und geklaut, in Europa einst genauso verteufelt wurde wie Sex und Sexualitäten. Die Kartoffel weiß wie kein anderes Gemüse: was nach Beilage aussieht, hat’s in sich.
„Sex und Kartoffeln“ ist ein kollektiver und persönlicher Abend von euch und uns und für uns alle – auf der Suche danach, was sein kann, wenn Sex kein Tabu mehr ist, sondern pleasure wird.

Von und mit
Luise Hart, Lorenz Krieger, Oktay Önder, Isabel Will

Regie
Anna Kirstine Linke
Bühne & Kostüme
Barbara Lenartz

Regieassistenz
Pauline Vorberg

Ausstattungsassistenz
Meike Kurella

Dramaturgie
Berit Wilschnack

Künstlerische Vermittlung
Tillmann Staemmler

Dauer
75 Minuten, keine Pause

Werwolfkommandos. Rechter Terror vor Gericht (UA), Dienstag 19. März 2024, um 19:30 Uhr, Einführung ab 19:00 Uhr

Foto: ©Christian Schuller

von Marie Schwesinger, Julia Just & Fabiola Eidloth

Über ein Jahr haben Marie Schwesinger und ihr Team Gerichtsprozesse gegen rechte Straftäter besucht, protokolliert und mit Expert*innen, Journalist*innen, Jurist*innen und Betroffenen gesprochen. Ausgehend von dieser Recherche stellt “Werwolfkommandos” eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Sprache im Gerichtssaal dar. Der Fokus liegt auf zwei in Frankfurt am Main verhandelten Prozesse: Der um den Mord an Walter Lübcke und den Angriff auf Ahmed I. sowie gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A.
Theater und Gericht – in keinem Raum spielt die Sprache eine so elementare Rolle. Es geht um die Frage, wann gesprochen, wann geschwiegen wird, es geht um Beanspruchung von Begrifflichkeiten und um Deutungshoheit über Diskurse. Mit welcher Sprache kann auf der Bühne rechten Positionen künstlerisch begegnet werden?

Mit
Nicolai Gonther, Florian Mania, Anabel Möbius, Rosanna Ruo
Konzept, Text & Regie
Marie Schwesinger
Konzept & Dramaturgie
Fabiola Eidloth, Julia Just
Bühne & Kostüme
Marion Schindler

Komposition & Sounddesign
Milan Loewy, Tim Roth

Produktionsleitung
Lisa Bühler, Dörthe Krohn
Licht & Technik
Nina Koempel

Dauer
100 Minuten, keine Pause

(Making) Woyzeck, Montag 25. März 2024, um 19:30 Uhr, Einführung ab 19:00 Uhr / Ausverkauft

Foto: ©Nils Heck

nach Georg Büchner

Theater und Philharmonie (TuP), Schauspiel Essen

Der Soldat Woyzeck ist ein armer von allen abhängiger Mensch, der Drangsalierung und Herabsetzungen ertragen muss. Die Figuren – die nur so heißen wie ihre Funktion – Doktor, Hauptmann und Tambourmajor – demütigen Woyzeck ohne jede Empathie. Er erträgt enorm viel, auch eine fürchterliche Erbsendiät, die ihn zusätzlich erschöpft und halluzinieren lässt. Schließlich glaubt er, dass er den Ehebruch seiner Frau Marie durchschaut hat. Aus Eifersucht ermordet Woyzeck die einzige Figur, über die er Macht ausüben kann.
Georg Büchner stellt die Frage nach der Verantwortung für Gewalt, insbesondere der Gewalt, die der untersten Klasse angetan wird. Ein Femizid am Schluss ist dabei ein unangenehm bekanntes Muster. Offengelegt wird eine kaputte, diskriminierende und misogyne Gesellschaft. Aus ihr ausbrechen zu wollen, die Gewalt eben nicht gegen die liebsten Menschen zu richten, sich gegen diese Systematik zu wenden, diesen Wunsch könnte man vielleicht einfach Notwehr nennen.

Mit
Eren Kavukoğlu, Sümeyra Yılmaz, Mansur Ajang, Stefan Diekmann, Sven Seeburg
Regie & Bühne
Caner Akdeniz
Mitarbeit Bühne
Marlene Lücker
Kostüme
Emir Medić
Musik
Giovanni Berg
Video
Jonas Friedrich
Dramaturgie
Maximilian Löwenstein

Dauer
95 Minuten, keine Pause

Hinweis: Die Bühne ist gleichzeitig Bühne und Zuschauerraum! Daher gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Karten!

Kontakt

Sabrina Egetenmeir
Am Wambolterhof 2
64625 Bensheim

Tel.: 06251-177817
E-Mail: parktheater(at)bensheim.de

Veranstalter

Unterstützer